Bevor es für einige Zeit eher von nördlicheren Gefilden zu berichten gilt, will ich ein thailändisches Ereignis noch hervorheben: das (buddhistische) Begräbnis, das man nicht Beerdigung, sondern richtiger, Verbrennung nennt.
Stell Dir vor Du bist bei einem Begräbnis und da werden Raketen abgeschossen und man vergnügt sich bei Fleischspießchen mit Klebreis und an Wurfbuden auf dem dazugehörigen Jahrmarkt oder guckt sich einen Film auf der mobilen Leinwand am Abend vor dem Begräbnis an. Wie sehr viel anderes auch, unterscheidet sich ein thailändisches Begräbnis ziemlich von einem deutschen, was nicht bedeutet, dass nicht getrauert wird, die Trauer hat eben anders Gesicht.
An einem Sonntag in Chiangmai hatte ich die Gelegenheit der Verbrennung eines sehr hochrangigen Mönchs beizuwohnen. JH war bereits einen Abend vorher dort und konnte zu diesem Zeitpunkt schon das riesige schiffs- oder vogelähnliche Gebilde mit Elefantenkopf, bewundern, das auf einer weissen Plattform mit Treppen und Geländer aufgebaut war. Der Elefantenkopf konnte sich bewegen und sogar Wasser verspritzen. Dafür sorgte jemand, der im Bauch dieses Mischwesens saß und die entsprechenden Hebel bewegte und zwar bis kurz vor Start der Verbrennung am nächsten Tag. JH war sich auch eigentlich sicher, dass die weisse Plattform aus Beton war und somit immer auf dem fraglichen Tempelgelände für Verbrennungen bereit steht. Denkste! Täuschend echt wie Tempelgemäuer aussehend, bestand die ganze Konstruktion von Kopf bis Fuß aus Holz und Pappmaschee und sollte am nächsten Tag bis auf den Grund niederbrennen. In der Mitte in einem einer Sänfte gleichenden Aufbau befand sich der Sarg mit dem toten Mönch, der zuvor 100 Tage aufbewahrt wurde, tot natürlich. Gerüchten zufolge war der Mönch aber nicht wirklich in seinem Sarg, sondern viel tiefer unten, im Bauch dieses vogelähnlichen Gebildes untergebracht, vielleicht weil es dort bei der Verbrennung am heissesten wird und am längsten brennt, wer weiß. Diese 100 Tage dienen der Möglichkeit der Verehrung durch Gläubige. So genau weiss ich nicht, wie das alles abläuft, aber der Tote ist der Öffentlichkeit zugänglich. Die Menschen können kommen und durch Gebete sowie Spenden Verdienst erwerben. Nur spezielle Personen werden erst nach 100 Todestagen verbrannt. Meist sind es hochstehende Mönche. Ich kann mir vorstellen, dass auch die Schwester des Königs 100 Tage aufbewahrt wird.
Ein weiteres Gerücht besagte, dass allein der Bau dieser Sargkonstruktion 100 000 bis 200 000 Baht (ca. 2080 bis 4167 Euro) gekostet hat und die sollte(n) also nun am nächsten Tag in Flammen aufgehen. Am Tag zuvor konnte jeder Mensch in den Tempel kommen, um praktisch Verdienst vor dem Mönch zu erwerben. Man gibt eine Spende und betet und gegen eine Spende erwirbt man ein oder mehrere runde Holzstöcke, mit Farben und an beiden Enden mit einem silbernen/goldenen Streifen verziert. Sie werden ebenfalls zu diesem Holzkonstrukt gelegt und dienen am nächsten Tag als Brennmaterial.
Das gesamte zweitägige Begräbnis wurde von einem "Jahrmarkt" begleitet. Zahllose Essstände, Wurf- und Kaufbuden, sowie eine Hüpfburg und anderes säumten die Wege und Plätze rund um das Tempelgelände und wurden von den Besuchern ausgiebig genutzt.
Am Verbrennungstag selbst war eine Menge los. Es gab viele Offizielle, Mönche, Staatsbedienstete, unter Umständen hohe Politiker und andere Persönlichkeiten, die vorgestellt wurden und Spenden abgaben. Darunter waren viele Mönchsroben, die in Ritualen zum Sarg gebracht und dann in einem zweiten Schritt von Äbten unterschiedlicher Klöster in Chiangmai und Umgebung wieder in Empfang genommen wurden. Viel Uniform war im Spiel. Alle staatlichen (Regierung-) Angestellten in Thailand müssen bei offiziellen Anlässen in Uniform gekleidet sein, was dann doch sehr militärisch wirkt. Personen mit weissen Uniformen sind dabei nach meinen Beobachtungen, live und im Fernsehen, die höchsten in der Hierarchie. Bei diesem Begräbnis hatte man letztere Personen erst wahrgenommen als sie kurz vor dem Start der Verbrennung in Minibussen mit teils abgedunkelten Fenstern direkt vor dem Elefantenvogel vorfuhren, ausstiegen und in das bereitgestellte VIP-Zelt eilten, um anschliessend am Sarg verschiedene Rituale zu vollziehen. Außerdem war die Feuerwehr mit zwei Löschwagen und die sollten auch gebraucht werden.
So ein Nachmittag kann lang sein und ein Ritual folgte auf das andere. Wir wurden immer ungeduldiger und auch in der thailändischen Bevölkerung machte sich mit fortschreitender Zeit eine gewisse Unruhe breit. Plötzlich und unvermittelt ging es dann doch los: Raketen, die in besonderen Vorrichtungen auf dem Reisfeld hinter dem Verbrennungsplatz aufgebaut waren, schossen hintereinander in die Luft. Es schien bei der ganzen Knallerei größten Wert auf die Lautstärke der Kracher gelegt worden zu sein. Nach kurzer Zeit knallte es aus allen Richtungen. Sehr fortschrittlich und gesundheitsfördernd für die Köpfe aller fand ich die leeren Knallkörper, die an kleinen Fallschirmen nach ihrer Entladung vom Himmel schwebten. Manche Raketen beinhalteten bunte Papierstreifen, die vom Himmel regneten.
Wie wurde also nun das Feuer unterm Sarg angezündet? Wie es sich gehört ebenfalls mit Raketen. Dazu wird eine Konstruktion gebaut, die aus einer Art Leitung oder Leine besteht, die von einem Punkt in sicherer Entfernung aus bis zur Sargkonstruktion gespannt ist. Daran wird eine Rakete (oder mehrere) so befestigt, dass sie beim Start an der Leine entlang direkt in die Mitte der Sargkonstruktion fliegt und so das Feuer entzündet. Der Auftakt sah also sehr bunt und rauchig aus, wobei ich mir nicht sicher bin, ob man der Effekte wegen nicht zusätzlich auch Rauchbomben installiert hatte. Man sah also zunächst nicht viel. Das war für mich die Gelegenheit loszulaufen, raus aus dem Tempelgelände, über den Jahrmarkt und auf die andere Seite der Verbrennung, wo ich eine freiere Sicht hatte. Das hatten sich andere aber auch gedacht und so kam ich nicht mehr ganz so nah an das Geschehen dran.
In der Zwischenzeit brannte die gesamte Konstruktion schon ziemlich großflächig. Ich wartete darauf, dass die orangene Mönchsrobe, die über die gesamte Konstruktion gespannt war, runterfiel. Denn dann war wieder Ritualzeit angesagt. Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass die Robe, die da hängt, zu dem jeweiligen toten Mönch gehört. Wenn sie fällt, laufen die Männer los und versuchen ein Stück der Robe zu erhaschen. Die Bedeutung ist mir noch nicht ganz klar, unter Umständen soll das Stück Glück bringen oder Verdienst bewirken. Ich versuchte dann auch den Wettlauf um die Robe festzuhalten, war aber zu weit weg und sah eigentlich nur die Köpfe der Zuschauer.
Auch in der sicheren Entfernung, in der ich stand wurde es dann immer heisser und ich ging zurück zu meinem Ausgangspunkt im Tempelgelände. Viele Leute verließen den Ort schon, als die ersten Flammen hochzüngelten. Alle schienen auf den einen Moment gewartet zu haben, als das Feuer entzündet wurde. Irgendwie war das auch das Zeichen, dass das Begräbnis bzw. man ja kann schon fast sagen, das Festival, vorbei war. Plötzlich entwickelte sich die Dynamik in eine ganz andere Richtung, nämlich: aufräumen und nach Hause gehen. Sehr organisiert und zügig wurden Massen von blauen Plastikstühlen zusammengestellt und weggefahren. Der Platz leerte sich in Windeseile, der Jahrmarkt war genauso schnell beendet und beim Rückweg zum Moped guckten die Tierchen von der Wurfbude etwas verloren drein.
Übrigens die Feuerwehrmänner löschten heldenhaft die ganze Zeit die Ränder des Brandes, da die Hitze doch nicht zu unterschätzen war und alle natürlich nah dran sein wollten.
14.03.08
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2 Kommentare:
Hey Nicole!
Astreine Bilder, astreine Geschichte. Hast Du fein gemacht.
Wo bist Du denn zur Zeit?
Alles Gute aus Chiang Mai,
Jan Ha
very intriguing
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