28.12.07

Rote Xmas-Tour


Was tut man also, wenn man am 25. Dezember morgens aufwacht und es so gar nicht nach Weihnachten aussieht, wie man es sonst so kennt? Man leiht sich ein zweites Moped und faehrt ins Blaue. Der einsamste Reisefuehrer der Welt mit seinen ach so gut geographisch abgestimmten Karten von der Gegend – ein absoluter Schwachpunkt dieses Magnatenunternehmens – sagte uns voraus, dass wir zum nicht so weit gelegenen Fluss Nam Nguem fahren koennen und irgendwie ueber eine andere Route, am bei Expats beruehmt beruechtigten Resort Lao Pako vorbei, wieder nach Vientiane kommen. Zum Lao Pako faehrt man hier, wenn man ueberhaupt keine Zeit hat, um weiter zu fahren als eine einstuendige Entfernung von Vientiane. Laut Lonely Planet hat sich dieser Ort mitterweile etwas verbraucht. Ich habe aber auch noch nie von Travellern gehoert, die da unbedingt hin wollten.

Also auf zu P.V.O., bestes vietnamesisches Essen und bester Mopedverleih in der Stadt und schon sass ich auf einem roten Flitzer und Dr. P auf seiner ratternden chinesischen Secondhand-Klapperkiste auf der Route 13 Richtung Norden. Wir konnten dann auch gleich feststellen, dass der Verkehr auch ausserhalb der Stadt auf den Hauptrouten maechtig zugelegt hat. Was das erste und letzte Stueck unserer Reise eher zu einer Konzentrationsuebung machte. Interessant waren auch die etlichen Unfallmarkierungen auf der Strasse und man wuenschte den ehemaligen Beteiligten jedes Mal, dass sie schon so schlau waren, einen Helm zu tragen. Das ist hier naemlich trotz neuer Gesetze immer noch ein Problem. Na ja, ein guter Helm ist fuer Laoten auch vergleichsweise teuer. Kinderhelme gibt es keine adaequaten und auf so ein Moped passen schon mal bis zu vier, fuenf Kinder, den Fahrer nicht mitgerechnet; drei Kinder sind normal. Einen Helm kann man schon fuer umgerechnet 2 Euro erstehen. Aber das ist so eine Eierschale aus Plastik, da kann man sich dann genauso einen Putzeimer ueber den Kopf ziehen. Meine Theorien zu den Unfallmarkierungen: Die werden hier nicht mit Kreide, sondern mit weisser Farbe angezeichnet, weshalb sie zumindest eine bis zwei Regenzeiten ausharren, bis sie verschwinden. Deshalb sind es wohl auch so viele gewesen. Was nichts daran aendert, dass der Verkehr hier voellig anderen Regeln folgt, oder auch nicht folgt. Das auf einer ganz normalen, von Alleen gesaeumten Strasse ploetzlich vier Fahrzeuge nebeneinander ihren Weg kreuzen, weil unbedingt alle gleichzeitig ueberholen wollen, ist keine Seltenheit. Also ist ziemlich weit vorausschauendes Fahren schwer angesagt.
Die Autos wurden weniger und bald ueberquerten wir die Bruecke ueber den NamNgum und hielten fuer den ersten Softdrink an, und um unsere Karte zu studieren. Danach haben wir dann das Buch getrost in die Tasche gesteckt und uns entschieden, es mit Durchfragen zu probieren. Es dauerte nicht lange da standen wir vor einem Dirttreck. Wir waren auf dem Land, Staubschlucken war angesagt. Man reist in heutiger Zeit nach Vientiane und erlebt eine Stadt, die wohl die beste europaeische Kueche und das beste Brot in ganz Suedostasien zu bieten hat, in der man in einer loungigen Jazzbar mit sehr guter Musik die besten Cocktails gemixt bekommt, in der Kinder und Teenager “dank” internationaler Tanzveranstaltungen ihre Koerperkultur voellig veraendert haben, zu Hip Hop tanzen und Akrobatik im Stil der Bronx und der Pariser Vororte vollfuehren. 20 Kilometer davon weg, ist die Welt noch fast die Gleiche, wie vor elf Jahren. Mehr Doerfer haben Strom und fliessendes Wasser, die Hauptrouten sind mittlerweile alle geteert, mehr Familien koennen sich ein Steinhaus leisten. Letzteres ist nicht unbedingt besser als ein tradionelles Pfahlhaus aus Holz, aber es geht wohl um Status und nicht um Praktibilitaet. Ja und dann kommt die Staubpiste, die in der Trockenzeit oft in einem Nebelmeer versinkt, da jetzt auch auf dem Land mehr Leute ein Auto haben und nicht einsehen, warum sie langsamer fahren sollten als auf einem geteerten Weg.
So haben wir im Vorbeifahren die durch Abholzung doch etwas karge und teilweise erodierte Landschaft bewundert – wenn nicht gerade ein Auto vorbei kam. Einzelne stehengelassene Urwaldriesen liessen nur erahnen, wie es hier mal ausgesehen hatte. Man muss aber erwaehnen, dass die Abholzung hier vor ziemlich langer Zeit geschehen ist. Irgendwoher muss der Reis ja kommen und das Flachland ist dafuer natuerlich ideal. Schlimmer ist das Holzgeschaeft in den Bergen, was zu nicht kleinen Teilen illegal passiert. Was die Landschaft auch trostloser aussehen laesst, ist die Trockenzeit. Noch haben wir einige Baeche und Teiche gesehen, aber in einem Monat werden die meisten verschwunden sein. Die Reisfelder sind trocken und sehen auf den ersten Blick wenig reizvoll aus. In der Regenzeit ist die Gegend ein Meer von unzaehligen Gruentoenen, in den Reisfeldern schwimmen dann Fische, ein paar Schlangen und quackende Froesche. Jetzt hat sich der rote Staub ueberall niedergelassen und da wo er nicht hinkommt, sieht alles schon ziemlich vertrocknet aus.
Aber alles hat seinen Reiz, so wurde die Strasse immer roter. Ein Laote hatte uns bereits vorausgesagt, dass wir dem Dirttreck folgen sollen, dann ins Ban Deng Din (Dorf “Rote Erde”) kommen, wo es eine Faehre gibt, die uns ans andere Ufer bringt und an eine Strasse, die wieder nach Vientiane fuehrt. Das Dorf macht seinem Namen alle Ehre, der Sand ist hier ist sogar dunkelrot. Wir sahen ein aufwendig geschnitztes Restaurantschild zu einem kleinen Weg zeigend, fragten aber zum Glueck vorher einen Dorfbewohner. Es stellte sich heraus, dass er der Besitzer ist, aber im Restaurant boo mii njang (ist nichts) ist. Wie kann auch zur Mittagszeit, wenn er lieber an der “Hauptstrasse” sitzt, wo das Leben tobt, jemand nach seinem Restaurant fragen. Ich glaube, er wartet auf die Busse mit den thailaendischen Butterfahrtentouristen aus dem Isan (Nordosten Thailands, kulturell und sprachlich laotisch), die Vientiane tagtaeglich ueberschwemmen, um ihre Wurzeln zu erkunden. Na bis die es mal nach Dorf Rote Erde schaffen… Wir haben uns dann direkt an der Strasse an einem Haan Kin Duem niedergelassen (wir wuerden Kneipe sagen) und das tobende Leben beobachtet: ein blauer Bus kam vorbei, eine Frau mit vietnamesischem Hut stieg aus und ging ihres Weges, eine Verkaeuferin mit “Bollerwagen” kam und bot Nudelsuppe feil. Der Besitzer der Kneipe, der gerade noch seinen Hund per Waesche vom roten Staub befreit hatte, kaufte sich sein Mittagessen, gegenueber und weiter hinten an einem Shop versammelten sich die aelteren Bewohner zu einem Mittagsplausch, die Schulkinder machten sich nach der Mittagspause per Fahrrad wieder auf den Weg zur Schule, der Bus ueberholte einen LKW mit dem Resultat einer Riesenstaubwolke, ich probierte den Kneipenklo aus, der irgendwie suess mitten ins nichts betoniert wurde, vier Holzwaende drumherum, fertig, Landleben eben.
Wir machten uns auf den Weg zum Fluss, sahen schon die Faehre, dann nur noch mit den Mopeds den Berg runter, Abenteuer; zwischendurch noch schnell einen typischen Miniterassen-Gemuesegarten bewundert und schon war die Faehre auch wieder zurueck vom anderen Ufer. Sie bestand aus drei langen Holzbooten, die per Seil und durch die daraufgenagelten Bretter zusammen gehalten wurden. Das Ganze sah zwar abenteuerlich aus, erfuellte aber wie immer vollkommen seinen Zweck und zwei Mopeds waren ueberhaupt kein Problem.
Der Faehrmann war ganz happy, das auch mal zwei Falangs vorbeikamen und er war auch ganz versessen darauf in unserer Kamera zu landen. Von wegen der Geist in der Kamera holt deine Seele. Das war wohl mal oder ist vielleicht noch weiter draussen so.
Auf der anderen Seite mussten wir natuerlich den steilen Berg wieder hoch, Abenteuer II. Im Dorf fragten wir uns dann noch einmal durch und schon waren wir auf einer geteerten Strasse aus der alten Zeit mit unzaehligen Schlagloechern, auf der wir eine schoene Slalomfahrt hinlegen konnten, ohne das ueberhaupt das kleinste Gefuehl aufkam, dass wir albern sein koennten. Wir sahen auch den Wegweiser zum Lao Pako, aber der sagte uns etwas von 18 Kilometern und die Sonne stand bereits tief. Das haben wir uns dann gespart, zum Glueck. Eine Schlaglochstrasse im Dunkeln ist der reinste Horror. Die Strasse aus dem anderen Jahrzehnt endete und wie gesagt, da war noch einmal Konzentrationsuebung angesagt, wir waren wieder auf der Route 13 (so etwas wie die Route 66 fuer die Laoten), nur dieses Mal fuhren wir vom Sueden aus nach Vientiane zurueck.
An einer Ampel in der Stadt wussten wir dann auch wieder in welchem Land wir eigentlich sind. Die Propagandaplakate sind nur nicht mehr ganz so schoen plakativ nach Sowjetvorbild gestaltet wie ehemals.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Yo Babies, lese Marlenchen gerade wieder Eure News aus der Ferne vor und vor allem bei der Stelle mit den Putzeimer-Fahrradhelmen huscht ein verschmiztes Laecheln ueber ihr Gesicht.

Ach: Alles Gute fürs Neue Jahr! Hier sieht es nach Sylvester auch aus wie Dorf Rote Erde und immer noch ist es ordentlich am boellern. Ansonsten alles locker hier, der Kamin brennt, gleich gucken wir ne Hitchcock-DVD und zaehlen die Stunden bis ihr wieder am Start seit ;-)

Liebe Gruesse, la petit famille.